Travel: Sarayaku - Ein Indio-Dorf am Amazonas wehrt sich
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Das Indio-Dorf Sarayaku kämpft erfolgreich gegen Ölfirmen, die auf ihrem Land im Dschungel Ecuadors nach Öl bohren wollen. Dabei haben sie etwas Erstaunliches vollbracht: eine gesunde Balance zwischen ihren Traditionen und dem westlichen Leben gefunden.Von Philipp Lichterbeck, Sarayaku
Heriberto Gualinga zeigt auf den weitgespannten Amazonashimmel. „Wir sind Millionäre“, sagt er. Der Indio schaut zu den Kindern, die mit Speeren zum Fluss laufen, um zu fischen und schon wenig später mit gefüllten Netzen wiederkommen. Auf die Bananen- und Maniokstauden. Er blickt zu den Jugendlichen, die auf Bäume klettern und Früchte für ihre Freunde herunterwerfen.
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Sarayaku hat es zu internationaler Berühmtheit gebracht. Als Vorbild im Kampf eines indigenen Volkes um Selbstbestimmung. Im Jahr 2002 hatte Sarayaku die Regierung Ecuadors vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt. Sie hatte einer Erdölfirma die Lizenz erteilt, auf dem Gemeindeland Sarayakus nach Öl zu bohren. Sarayaku legte Einspruch ein. Nach fast zehn Jahren Prozess gaben die Richter den Dorfbewohnern, die mit Federschmuck im Gerichtssaal saßen, recht. Sie verurteilten den Staat zur Zahlung von 1,3 Millionen Dollar Schadenersatz an Sarayaku. Ein Sieg – vorläufig.

Eine Straße nach Sarayaku gibt es nicht. Nur einen Fluss, den Rio Bobonaza. Fünf bis sieben Stunden dauert die Fahrt im motorisierten Einbaum aus dem Dschungel heraus. Je nach Wasserstand.
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Daran, dass Sarayaku immer noch so unberührt ist, hat Heriberto Gualinga großen Anteil. Der 37-Jährige trägt seine langen dichten Haare zum Pferdeschwanz zusammengebunden, kleidet sich in Jeans und T-Shirt. Er hat einen leichten Bauchansatz, über den er sagt: „zu viel Affenfleisch“. Am Tag zuvor hatte sich Gualinga nahe der Provinzstadt Puyo in Jeans und T-Shirt in seinen Einbaum geschwungen und war Richtung Sarayaku aufgebrochen. Als sich auf den letzten Kilometern die Dunkelheit wie eine schwarze Decke über den Rio Bobonaza senkte, schaltete Gualinga den Motor ab. Er begann, nach Gehör zu steuern. Er lauschte auf Stromschnellen, versuchte Felsen auszumachen, senkte einen langen Holzstock tastend in die Tiefe. Bis er fragte: „Hat einer ein i-Phone dabei? Die haben gute Taschenlampen.“
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Doch Gualinga steuert nicht nur Einbäume und züchtet Kaimane – er ist auch Filmemacher. Seine Dokumentationen sind auf Festivals rund um die Welt zu sehen, er hat einen Preis gewonnen und spricht an US-Universitäten über „Indigene Kommunikation“. In seiner Rundhütte hantiert Gualinga gerade mit einer GoPro-Kamera, er will seinen Vater filmen. Die Kamera, sagt er, sei ein lebendiges Gedächtnis.
Vermutlich kann also niemand besser erklären, warum Sarayaku am Kapitalismus nicht zerbrochen ist. Wie die Kwicha es geschafft haben, ihre Traditionen mit der westlichen Lebensweise in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen. Gualinga sagt: „Wir nutzen eure Techniken für unsere Zwecke, aber wir werden nicht zu ihren Sklaven.“ Es ist ein ziemlich kluger Gedanke.
