In zwei Sekunden ist alles vorbei

CNN, RTL, ZDF, ARD und Dutzende Fotografen suchen am Rande eines Laufsteges voll roter Rosen nach Prominenz. Wer jung und weiblich ist, hat gute Chancen. Cosma Shiva Hagen schwebt vorrüber.

- Reporter finden immer ein Hintertürchen. Über eine Nebentreppe entern wir Schloß Bensberg, den Ort der Preisverleihung. Wer will schon auf dem roten Teppich entdeckt werden? Plötzlich stehen wir auf der Terasse - inmitten gut gekleideter Medienmenschen, die sich an ihren Gläsern festhalten. Unser erstes Interesse gilt der Suche nach einem Monitor, der das EM-Spiel Dänemark-Schweden bringt.
Wir finden nur Flachbildschirme auf denen sich ein imaginäres Symbol im Kreise dreht.

CNN, RTL, ZDF, ARD und Dutzende Fotografen suchen am Rande eines Laufsteges voll roter Rosen nach Prominenz. Wer jung und weiblich ist, hat gute Chancen. Cosma Shiva Hagen schwebt vorrüber. Flankiert wird die Schauspielerin von einem Bürschchen mit St.Pauli-Shirt. „Den Amateurligisten kicken wir heute Abend auch noch weg" soll unser Motto sein. Man trinkt Kölsch und Rose-Sekt, emsig umschwirren Kellner mit silbernen Tabletts die Gäste. Frittierte Schrimps und Broccoli - aus den Lautspechern kommt Kaufhaufhausmusik und eine Stimme: "Die Gäste möchten sich doch bitte zur Preisverleihung in die Reithalle begeben".

"Ihr könnt ganz entspannt sein!" Eine Bekannte, durch ihr Angestelltenverhältnis in einer Öffentlich-Rechtlichen Fernsehanstalt schon über den Ausgang des Abends informiert, gibt Entwarnung. Kurz rast der Puls, dann Leere oder ist es Enttäuschung?! Heimlich hatten wir uns doch etwas ausgemacht. Als Letzte fast betreten wir die Reithalle, zwei blaue Marken aus Papier machen es möglich. Die Fotografen müssen draussen bleiben!
Tisch 32 bis 40 - das ist das hintere Drittel der Feststätte, ein sehr weiter Weg auf die Bühne.


Dann übernimmt Moderatorin Barbara Schöneberger charmant die Regie - ein kleiner Lichtblick. Es folgt ein Prozedere, ein Ritual fast. C-Prominente erklären als Laudatoren ihre enge Verbindung zum Internet, die Gekrönten sagen artig „Danke" und die nächste Preiskategorie ist dran. Der Atem stockt bei „Web-Media" - unser Bereich. Das Licht wird gedämpft, Fanfaren erklingen! Über die Leinwand flimmert noch einmal kurz ein Screenshot unserer Webseite.
Eine Stimme kündigt das interpool (tivi) magazin an - nach zwei Sekunden ist alles vorbei.

Preisträger werden die Begleitseite eines Kinofilms und eine bunte Comicshow. Schade! Wir fragen uns, was das ganze mit den vorher gepriesenen Qualitätsstandards zu tuen hat. Dann kommt eine Sängerin und trällert zwei Lieder, die an Xavier Naidoo erinnern. Wir teilen via Handy die nicht so frohe Botschaftern unseren Freunden mit.
Zur Farce gerät die Veranstaltung bei der Verleihung des Publikumspreises. Pate, Oscarpreisträger Jeremy Irons, zählt deutsche Autofirmen auf und erklärt: "Ich surfe ja nicht, beantworte aber meine e-mails". Als er „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" als Gewinner nennt, muss er auf den Beifall warten. Vereinzelt erklingen Pfiffe und Buh-Rufe.

Mittlerweile ist das Buffet schon leergefuttert. Als flotte Jungs, die im Berliner Nachtleben zu Hause sind, erscheint die Party reichlich lahm. Kaum einer tanzt. Eine hübsche Blondine im grünen Kleidchen hat es uns und dem ZDF angetan. Wir fragen die Reporterin wen sie da gerade interviewt hat.

„Nora kenn ich nicht, frag mich nicht, hat was auf 'Viva' gemacht" kommt entgegen. Kurz nach Mitternacht, der Saal ist fast leer, erscheint ein Leo Sowieso, angeblich vor einer Dekade ARD-Fernsehstar und verteilt im Auftrag des Hauptsponsors Zigarren. Obwohl wir alle Nichtraucher sind, stecken wir uns eine in die Anzugstaschen. Es können ja doch noch einmal bessere Zeiten kommen.