Unterwegs an der 'Green-Line' (Dreharbeiten zu 'Walls' - Reblog)
von Fred Kowasch, Nicosia
14.02.2012
5:21 Uhr zeigt das Handy. Der Tag beginnt früh in Nikosia. Im Foyer mumelt der Nachtwächter irgend etwas auf Griechisch als wir die Schlüssel auf die Theke knallen. Bis dahin hatte er es sich auf einem Sofa gemütlich gemacht. Draußen ist es schon hell. Und da wir auf Zypern sind, ist es schon eine Stunde später. Flott geht es im Leihwagen durch die engen Gassen der Altstadt. Hier ist eine Strasse gesperrt, dort parkt ein Auto vor einem möglichen Motiv. Schließlich stehen wir vor drei Reihen hellblau und weiss gestrichener Fässer, die zwischen zwei verfallenen Häusern aufeinandergetürmt sind. Die unterste Reihe ist in Beton eingelassen. Seit fast vier Jahrzehnten nun schon. Oberdrauf rollen sich mehrere Lagen NATO-Draht, an der Seite liegen Sandsäcke. Ein Schild ist angebracht: 'Stop - Sie betreten türkisch -besetztes Gebiet'. Strassensperre an der 'Green-Line'
Willkommen an der 'Green-Line'. Der Linie, die den türkischen Norden und den griechischen Süden der Mittelmeerinsel teilt. Hier in Nicosia stoßen beide Seiten eng zusammen, ist die von der UN verwaltete 'Buffer-Zone' nur wenige Dutzend Meter breit
In aller Ruhe baut der Fotograf Kai Wiedenhöfer, dessen Projekt über die Mauern und Zäune auf der Welt ich nun seit acht Jahren mit der Videokamera begleite, sein Stativ auf. Es ist leicnt bedeckt, im Laufe des Tages soll die Sonne heraus kommen. Ab und zu fährt ein Auto vorbei, kurz nach sieben Uhr schließt jemand seinen Laden an der Ecke auf. Plötzlich steigt jemand hektisch aus einer deutschen Limousine aus, fragt was wir hier machen. Fotografieren sei hier streng erboten, sagt der Mann in Kaki-Uniform. Fängt an aufgeregt zu telefonieren. Auf einmal haben wir ein Problem mit der zyprischen Nationalgarde.
Nach ein paar Minuten hat sich die Aufregung gelegt. Kai zeigt dem Offizier ein offizielles Arbeitspapier, sagt dass wir am Nachmittag sowieso einen offiziellen Termin mit der Armee haben. Trotzdem müssen wir zum Stützpunkt in der Nähe mitkommen. Zehn Minuten später kommt ein anderer Offizier, eine halbe Stunde darauf ein Herr vom Informationsministerium. Auch er wirkt so, als hätte man ihn soeben aus dem Bett geholt. Was für eine Aufregung am frühen Dienstagmorgen. Und das nur, weil man ein paar Fotos machen will.
Die folgende Stunde geht es mit unseren Aufpassern zu Fuß an der 'Green-Line' weiter. Ein Foto geht nicht, weil der Posten in einem anderen Sektor steht, für den wir keine Genehmigung haben. Und eine neue zu beantragen, würde mindestens eine Woche dauern. Wie uns die Presse-Dame im Nationalen Infomationsministerium in besten Deutsch später mitteilt. "So schnell geht das hier nicht, Herr Wiedenhöfer". Sie ist immer noch sichtbar sauer, auch wenn hier alle ganz freundlich tun.
Kai zeigt ihr auf seinem Notebook noch ein paar Bilder aus Bagdad, die er vor einem Mont in der irakischen Huptstadt gemacht hat. So langsam wird die Laune besser. Wir aber müssen weiter. Der nächste Termin wartet schon. "Beeilen sie sich" sagt die PR-Dame noch, "ab 14:30 Uhr sind die Strassen verstopft, weil dann alle Behördenmitarbeiter nach Hause wollen. Na, nur schnell zur UN.
Reise in eine ferne Zeit. Die Tür ist nicht abgeschlossen und quietscht, an der nahen Treppe baumeln lose ein paar Stahldrähte. Der zunächste leicht modern wirkende Geruch geht in permanenten Ammoniakgestank über. Frische Luft schmeckt anders, gesund kann das hier nicht sein. An den Wänden riesige Reklametafeln. Die meisten von ihnen, zerstört. Trotzdem ist noch deutlich erkennbar: am Häufigsten wird hier für Zigarrettenmarken geworben.
Der 'Durty Free' Bereich ist ausgeräumt, an der Passabfertigung steht keiner mehr. Davor Reihen blau bezogene Ledersitze, auf denen zentimeterhoch Taubendreck liegt. In den Ecken gurrt es unablässig. Von oben tropft Wasser auf Beton. Irgendwie kann die Decke hier nicht mehr ewig halten.
Zehn bis 15 Flüge starteten und landeten hier täglich. Von und nach Kairo, in die Türkei, nach Griechenland. Auch Großbritannien - die ehemalige Kolonialmacht - wurde von Nikosia aus angeflogen.
Nur sechseinhalb Jahre war dieser zyprische Flughafen in Betrieb, als er im Sommer 1974 stillgelegt wurde. Seitdem ist hier keiner mehr abgeflogen. Am Rand des Flugfeldes steht noch eine Maschine - ein Trident Sun Jet. Die Flugzeugnase und die vorderen Seitenflügel sind entfernt, um die Räder schlingert sich Stacheldraht.
Die anderen beiden Flugzeuge der kleinen Luftflotte wurden vor fast 40 Jahren zerstört. Als türkische Kampfflugzeuge das Areal angriffen. Seitdem ist der Flughafen von Nicosia Sperrgebiet und unter UN-Kontrolle. Dies sei die drittälteste Mission der Blauhelme erzählt uns ein Offizier, der uns zu diesem wirklich bizarren Teil der Sonneninsel gebracht hat.
Fährt man die 'Green-Line' in Zyperns Hauptstatdt Nicosia entlang, dann fällt eines auf. Viele UN-Stützpunkte stehen zwar noch, sind jedoch nicht mehr besetzt. Etliche Blauhelme wurden in den letzten Jahren von hier abgezogen. Die Grenze ist durchlässiger geworden. Ein Übergang für Fußgänger inmitten der Altstadt, ein neuer Checkpoint im Westen Nicosias. Grenzverkehr rund um die Uhr. Auch das einst umkämpfte Ledra-Palace-Hotel - inmitten der Bufferzone - hat seinen Schrecken verloren. Direkt vom Parkplatz gegenüber gelangt man auf ein Fußballfeld. Der Betrachter ist schon ziemlich verwundert, wenn neben einem leeren UN-Beobachtungsturm eine türkische Mannschaft inmitten der Stadtmauern kickt. Die Grenze - hier ist sie fast unsichtbar.
Weiter östlich dagegen stehen viele Stützpunkte der zyprischen Nationalgarde noch. Manchmal liegen ihnen die türkischen Stellungen direkt gegenüber. Nervös drehen Sie an ihren Ferngläsern herum. 40, 50 Meter sind keine Entfernung.
14.02.2012
5:21 Uhr zeigt das Handy. Der Tag beginnt früh in Nikosia. Im Foyer mumelt der Nachtwächter irgend etwas auf Griechisch als wir die Schlüssel auf die Theke knallen. Bis dahin hatte er es sich auf einem Sofa gemütlich gemacht. Draußen ist es schon hell. Und da wir auf Zypern sind, ist es schon eine Stunde später. Flott geht es im Leihwagen durch die engen Gassen der Altstadt. Hier ist eine Strasse gesperrt, dort parkt ein Auto vor einem möglichen Motiv. Schließlich stehen wir vor drei Reihen hellblau und weiss gestrichener Fässer, die zwischen zwei verfallenen Häusern aufeinandergetürmt sind. Die unterste Reihe ist in Beton eingelassen. Seit fast vier Jahrzehnten nun schon. Oberdrauf rollen sich mehrere Lagen NATO-Draht, an der Seite liegen Sandsäcke. Ein Schild ist angebracht: 'Stop - Sie betreten türkisch -besetztes Gebiet'. Strassensperre an der 'Green-Line'
Willkommen an der 'Green-Line'. Der Linie, die den türkischen Norden und den griechischen Süden der Mittelmeerinsel teilt. Hier in Nicosia stoßen beide Seiten eng zusammen, ist die von der UN verwaltete 'Buffer-Zone' nur wenige Dutzend Meter breit
In aller Ruhe baut der Fotograf Kai Wiedenhöfer, dessen Projekt über die Mauern und Zäune auf der Welt ich nun seit acht Jahren mit der Videokamera begleite, sein Stativ auf. Es ist leicnt bedeckt, im Laufe des Tages soll die Sonne heraus kommen. Ab und zu fährt ein Auto vorbei, kurz nach sieben Uhr schließt jemand seinen Laden an der Ecke auf. Plötzlich steigt jemand hektisch aus einer deutschen Limousine aus, fragt was wir hier machen. Fotografieren sei hier streng erboten, sagt der Mann in Kaki-Uniform. Fängt an aufgeregt zu telefonieren. Auf einmal haben wir ein Problem mit der zyprischen Nationalgarde.
Nach ein paar Minuten hat sich die Aufregung gelegt. Kai zeigt dem Offizier ein offizielles Arbeitspapier, sagt dass wir am Nachmittag sowieso einen offiziellen Termin mit der Armee haben. Trotzdem müssen wir zum Stützpunkt in der Nähe mitkommen. Zehn Minuten später kommt ein anderer Offizier, eine halbe Stunde darauf ein Herr vom Informationsministerium. Auch er wirkt so, als hätte man ihn soeben aus dem Bett geholt. Was für eine Aufregung am frühen Dienstagmorgen. Und das nur, weil man ein paar Fotos machen will.
Die folgende Stunde geht es mit unseren Aufpassern zu Fuß an der 'Green-Line' weiter. Ein Foto geht nicht, weil der Posten in einem anderen Sektor steht, für den wir keine Genehmigung haben. Und eine neue zu beantragen, würde mindestens eine Woche dauern. Wie uns die Presse-Dame im Nationalen Infomationsministerium in besten Deutsch später mitteilt. "So schnell geht das hier nicht, Herr Wiedenhöfer". Sie ist immer noch sichtbar sauer, auch wenn hier alle ganz freundlich tun.
Kai zeigt ihr auf seinem Notebook noch ein paar Bilder aus Bagdad, die er vor einem Mont in der irakischen Huptstadt gemacht hat. So langsam wird die Laune besser. Wir aber müssen weiter. Der nächste Termin wartet schon. "Beeilen sie sich" sagt die PR-Dame noch, "ab 14:30 Uhr sind die Strassen verstopft, weil dann alle Behördenmitarbeiter nach Hause wollen. Na, nur schnell zur UN.
Reise in eine ferne Zeit. Die Tür ist nicht abgeschlossen und quietscht, an der nahen Treppe baumeln lose ein paar Stahldrähte. Der zunächste leicht modern wirkende Geruch geht in permanenten Ammoniakgestank über. Frische Luft schmeckt anders, gesund kann das hier nicht sein. An den Wänden riesige Reklametafeln. Die meisten von ihnen, zerstört. Trotzdem ist noch deutlich erkennbar: am Häufigsten wird hier für Zigarrettenmarken geworben.
Der 'Durty Free' Bereich ist ausgeräumt, an der Passabfertigung steht keiner mehr. Davor Reihen blau bezogene Ledersitze, auf denen zentimeterhoch Taubendreck liegt. In den Ecken gurrt es unablässig. Von oben tropft Wasser auf Beton. Irgendwie kann die Decke hier nicht mehr ewig halten.
Zehn bis 15 Flüge starteten und landeten hier täglich. Von und nach Kairo, in die Türkei, nach Griechenland. Auch Großbritannien - die ehemalige Kolonialmacht - wurde von Nikosia aus angeflogen.
Nur sechseinhalb Jahre war dieser zyprische Flughafen in Betrieb, als er im Sommer 1974 stillgelegt wurde. Seitdem ist hier keiner mehr abgeflogen. Am Rand des Flugfeldes steht noch eine Maschine - ein Trident Sun Jet. Die Flugzeugnase und die vorderen Seitenflügel sind entfernt, um die Räder schlingert sich Stacheldraht.
Die anderen beiden Flugzeuge der kleinen Luftflotte wurden vor fast 40 Jahren zerstört. Als türkische Kampfflugzeuge das Areal angriffen. Seitdem ist der Flughafen von Nicosia Sperrgebiet und unter UN-Kontrolle. Dies sei die drittälteste Mission der Blauhelme erzählt uns ein Offizier, der uns zu diesem wirklich bizarren Teil der Sonneninsel gebracht hat.
Fährt man die 'Green-Line' in Zyperns Hauptstatdt Nicosia entlang, dann fällt eines auf. Viele UN-Stützpunkte stehen zwar noch, sind jedoch nicht mehr besetzt. Etliche Blauhelme wurden in den letzten Jahren von hier abgezogen. Die Grenze ist durchlässiger geworden. Ein Übergang für Fußgänger inmitten der Altstadt, ein neuer Checkpoint im Westen Nicosias. Grenzverkehr rund um die Uhr. Auch das einst umkämpfte Ledra-Palace-Hotel - inmitten der Bufferzone - hat seinen Schrecken verloren. Direkt vom Parkplatz gegenüber gelangt man auf ein Fußballfeld. Der Betrachter ist schon ziemlich verwundert, wenn neben einem leeren UN-Beobachtungsturm eine türkische Mannschaft inmitten der Stadtmauern kickt. Die Grenze - hier ist sie fast unsichtbar.
Weiter östlich dagegen stehen viele Stützpunkte der zyprischen Nationalgarde noch. Manchmal liegen ihnen die türkischen Stellungen direkt gegenüber. Nervös drehen Sie an ihren Ferngläsern herum. 40, 50 Meter sind keine Entfernung.