Cap Verde: Inselhopping
von Fred Kowasch
Nach sechseinhalb Flugstunden - mit Zwischenstop auf Grand Canaria - kam ich am frühen Nachmittag (Ortszeit weniger zwei Stunden) in Sal auf den Cap Verden an. Warum dann allerdings die Passkontrolle noch eine (gefühlte) Stunde dauern muß, erschließt sich einem nicht wirklich. Schließlich sind wir alle im Besitz eines Visas, dass zu erwerben äußerst umständlich ist.
Zunächst muß man 45 Euros auf das Konto der Kapverdischen Botschaft überweisen, dann eine Kopie der Überweisung, eine Kopie vom Flugschein und den Originalpass per Einschreiben mit Rückschein zur Berliner Niederlassung schicken. Nach einer Woche gibt es dann Post.
Egal. Endlich angekommen. Ein Taxi ins 20 Kilometer entfernte Santa Maria wartet immer, mit acht bis zehn Euros ist man dabei. Davor empfiehlt es sich jedoch am Flughafen bei einer der zahlreichen Bankes Euros in Escuduos zu tauschen. Der Kurs ist gut und eine Commission nehmen sie meist auch nicht. Mitten in Santa Maria docke ich an einer französisch-betriebenen Herberge an. 40 Euros die Nacht. Das hat den Vorteil, dass man Meerblick geniessen kann und Nachts nicht zu tief schläft. Kurz vor Weihnachten sind die kleinen Hotels nicht allzu voll, irgend etwas findet man immer.
Santa Maria ist ein Nest, wo man erst einmal für ein paar Tage 'runterkommen' kann. Kilometerlanger Strand - Wassertemperatur zwischen 22 und 26 Grad. HERRLICH!! Legendär ist es in den Sonnenuntergang zu baden - ein Bier dazu gibt es immer. Unübertroffen der Caipirinha, der (very strong) für zwei Euros zu haben ist. Internet-Cafes gibt es an jeder Ecke, einige Surf- und Tauchschulen finden sich. Hier trägt der Tauchlehrer den Touristen die Stahlflaschen noch hinterher. Habe ich so noch nirgendwo gesehen. Muss man aber auch nicht haben. Ebenso wie das "wale-watching", dass von einem Franzosen mit Katamaran angeboten wird. Ein drei Stunden Trip, der für 40 Euro (inclussive einem Freigetränk) angeboten wird.
Allerdings braucht man schon erhebliche Beharrlichkeit, sich keines der Souvenirs 'aufschwatzen' zu lassen. Was soll der Reisende mit einem Brettspiel oder einer hüfthohen Figur aus Teakholz, die er im Rucksack über weitere Inseln schleppt?! Die Verkäufer kommen überwiegend aus dem Senegal. Die Hauptstadt Dakkar ist von Cap Verde weniger als zwei Flugstunden entfernt. Ihr Job ist es auch, die zahlungskräftige europäische Kundschaft zu den etwas versteckt liegenden Andenkenmärkten zu locken. Manche verdienen ihr Geld aber auch am Strand. Liegen eng umschlungen mit einer schon etwas älteren weißen Frau unter der Atlantiksonne. Bums-Tourismus ist längst kein Privileg der Männerwelt mehr.
14 Inseln gehören zu Cap Verde, nur zehn sind bewohnt. Der Inselstaat ist vielfältig, am touristischsten sind Sal und Boa Vista. Einen Flug zu den weit weniger bekannten Inseln im Norden oder Süden bekommt man in der Regel immer. Nur um die Weihnachtsszeit - wenn viele ehemaligen Capverdianer aus den USA zu Besuch sind - kann es etwas eng werden. Es empfiehlt sich daher, die Inlandsflüge vorher im Netz zu buchen oder in Santa Maria ein Reisebüro aufzusuchen. Irgendwie geht es immer weiter. 'No stress' - das Motto des Landes ist hier Programm.
Unterwegs
Gut eine Stunde vor Abflug kann man schon mal auf dem Flughafen erscheinen. "No stress" - die Lady am Check-In-Schalter gibt den Rhythmus vor, indem sie das Vorgängeschloss zudrückt und von dannen zieht.
In der Propellermaschine ist es dann heiß und eng. Neben mir telefoniert ein Buisnessman. Sonnenbrille auf, Sonnenbrille runter, Portemonnaie rein und raus (ahh, der Mann hat auch Kreditkarten), schließlich wird die die elegante Ledertasche wie ein Bongo traktiert. Rechts am Fenster schreit ein Kind. Die 'verdienten' Prügel des Vaters helfen da auch nicht weiter. Nach 40 Minuten hat der Alptraum ein Ende. Willkommen auf Santiago, meiner Insel Nummer Zwei.
Das Warten am Gepäckband wiegt den Flug auf. Nach einer halben Stunde wird eine etwas ältere Britin im farbenfrohen Hippiekleid ein wenig nervös. Der Koffer kommt und kommt nicht, auch wenn sie noch so sehr die Arme vor dem grauen Blazer wütend verschränkt. Man hab ich einen Hunger. Das Schnitzel in der Empfangshalle schmeckt.
Das Geisterhotel
Kurze Zeit später donnert mein Taxi durch die Vororte der Hauptstadt Praja. Überall Dreck, die Wäsche hängt auf der Straße. Fast wie einst in Mittelamerika. Da stand im Reiseführer vielleicht doch nicht alles. Plötzlich hält der Taxifahrer vor einem orange gestrichenen Gebäude. 'Hotel Hollandia' - genau hier wollte ich hin. Vor Schreck vergess ich fast den Rucksack im Kofferaum. Mitten im Slum empfängt mich die Frage: "Have you a reservation"?.
Die habe ich (natürlich) nicht. Aber so richtig voll schau das Etablissement auch nicht aus. Außerdem habe ich keine Lust heute noch weiter zu fahren. Denn in zwei Stunden wird es dunkel. Zum Palmenhain im Norden der Insel komme ich da nie und nimmer. Ein Zimmer findet sich, wenn auch ohne Bad und WC. Schon anderes gesehen. Seltsamerweise bin ich (bis jetzt) der einzige Gast.
Ich schleiche durch das Haus. Irgendwo kreischt ein Äffchen, auf den Brüstungen im Innenhof stehen Büsten, die alle irgendwie gleich aussehen. In der Bibliothek - in einem Seitenflügel auf dem Dach - fallen die Strahlen der Abendsonne auf eine opulente Bibliothek.
Orwell, Böll, Steinbeck, die Buddenbrocks, Kerouacs geniales "On the road". Es ist - wie immer - an den wirklich eindringlichen Plätzen der Welt: ein Buch gibt man, ein Buch nimmt man.
Am nächsten Tag. 14 Leute und zwei Kleinkinder in einem Bus. Zwei Stunden Enge für fünf Euro. Würde ich doch nur ein wenig Portugiesisch sprechen. Ich bin auf den Weg in den Norden der Insel.
Am Fenster ziehen ein Paar Hügel vorbei, Tarrafel heißt das Ziel. 500 Meter feinster Sandstrand, Wellen auf denen man auch ohne Board surfen kann. Wenn man es geschickt anstellt, den richtigen Zeitpunkt für die bis zu drei Meter hohen Wellen erwischt.
Entgegen der vielleicht vorherrschenden Auffassung - dass man seine Sachen in Afrika nicht am Strand liegen lassen sollte - in Tarrafel geht das. Cap Verde ist nur ein Stückweit Afrika. Von den Ferienfliegern bereits erschlossen, entfliehen hier immer mehr Deutsche der Kälte daheim.
Ich habe in zwei Wochen niemanden getroffen, der ernsthaft Magenprobleme hatte, sich nicht mit Leistungswasser die Zähne geputzt hat. Auch wenn die Reiseführer anderes schreiben und das Auswärtige Amt in seinen Sicherheitshinweisen einen auf Panik macht. So easy war ich selten unterwegs.
Nach drei Tagen finde ich mich wieder am Flughafen. Der Vulkan ruft. Fast steige ich in die falsche Maschine, weil zwei zur gleichen Zeit los fliegen. Der Irrtum ist schnell geklärt, auf gehts nach Fogo.
20 Minuten sind wir in der Luft. Vorbei am Pico, den ich nicht sehe, weil ich auf der falschen Seite sitze. Manchmal sollte man - den geborgten - Reiseführer auch lesen. Dann gehts im Sturzflug Richtung Landebahn, die wie aus dem Nichts erscheint. Die Flugzeugtür am Heck öffnet sich. Mann, hier ist es ja noch heisser!!
Auf dem Weg zum Pico
Nach meiner Ankunft auf der Vulkaninsel Fogo suche ich mir bei gefühlten 40 Grad ein Taxi. São Filipe, der Hauptort der Insel, ist nur zwei Kilometer entfernt. Dort checke ich in einem Hotelzimmer ein. 20 Euro die Nacht. Ein Bad und ein Ventilator sind im Preis mit drin. Viel frische Luft wedelt der aber nicht herbei. Auf dem Balkon - zwei Stockwerke über mir - sitzen zwei Männer und feiern.
Unter dem Dach, im Frühstücks- und Barraum, empfängt mich der Hotelbesitzer. Neben ihm sein bester Kumpel, der zu Weihnachten von Boston auf Heimatbesuch nach Fogo gekommen ist. Sie sitzen beim schweren Fogo-Rotwein. Auch mir wird ein Glas angeboten - bei dieser Hitze haut das besonders rein.
Am frühen Abend spaziere ich durch die Altstadt. Es ist nichts los. Das Restaurant neben dem alten Gefängnis (und mit Blick auf den Friedhof) ist zu, am Marktplatz sitzt eine alte Frau und strickt. Unten am Strand spielen ein paar Locals in der Abendsonne Fußball. Ein paar Meter daneben krachen meterhohe Wellen auf den schwarzen Lavasand. Der Lärm ist ohrenbetäubend.
Am nächsten Tag sitze ich in einem Kleinbus in Richtung Vulkan. Mit mir gefühlte Zwanzig andere Gäste. Die Meisten von Ihnen haben noch größe Körbe mit Kleinigkeiten auf dem Schoß. Taschenlampen, Messer, Sonnencreme. Der Schweiß rinnt den Rücken hinab, das T-Shirt klebt.
Bewegungsmöglichkeit gleich Null. Irgendwann wird es mir zu bunt - ab in die Fahrerkabine. Endlich kann ich die Beine ausstrecken!!
Zwei Stunden dröhnt der Motor mittlerweile schon. Ein Bus nach dem anderen überholt uns auf dem Weg nach oben. Endlich haben wir den Pass in 2000 Meter Höhe erreicht. Der Ausblick ist phantastisch. WOW, so muß es wohl auf dem Mond aussehen!
Wir fahren durch die 'Calederia'. Eine Steinwüste von haushohen Felsbrocken, die rechts und links der Straße liegen. Hier stand einmal ein Hunderte Meter hoher Vulkan, der nach seinem Ausbruch in sich zusammen gesackt ist. Unter der Oberfläche brodelt es weiterhin. Davon zeugt ein pechschwarzer Wall, der sich entlang der Strasse zieht. Er erinnert an den letzten Vulkanausbruch im Frühjahr 1995, als hier glühenden Lava floss und das Ganze erst 300 Meter vor dem Dorf Portela zum Stehen kam.
Endstation Pension Marisa im Dorf Bangaeira. Ich frage nach einem Zimmer. Problemlos wird mir eins zugewiesen. Anschließend esse ich gemütlich unter einem Sonnenschirm Kartoffeln mit Hähnchen. Der Gericht ist der Hammer. Mit vollem Bauch und ohne Wasser erkunde ich die Gegend. Aha, hier entlang scheint es Morgen auf den Vulkan zu gehen.
Am Nachmittag kommen immer mehr Gäste. Es ist Weihnachten und schließlich Hochsaison. Fast alle haben vorgebucht, die meisten davon in Deutschland. Die 'Kollegen' sind aber auch überall.
Ich muß mein Zimmer räumen. Kein Problem. Der Herbergsvater - ein türkischstämmiger Ex-Traveller aus Deutschland, der mehrere Sprachen perfekt spricht - quartiert mich problemlos bei der Nachbarin ein. Dafür liege ich nun in einem doppelt so breiten Bett und habe eine gußeiserne Schloß vor der Tür. Ich sitze noch ein wenig in der Abendsonne. Vor mir der 'Pico'. 1200 Höhenmeter. Dort soll es Morgen Früh hoch gehen.
Gegen sechs Uhr wird es schlagartig dunkel und kalt. 30 Grad Temperaturunterschied sind nicht zu verachten. Deshalb habe ich ja auch den kleinen Schlafsack und den Pullover mit. Noch schnell ein Süppchen nebenan, dann gehts ins Bett. Nix mehr mit einem Barbesuch. Der Berg ruft! Man muß schließlich fit sein, wenn am nächsten Morgen um 05:15 Uhr das Handy klingelt.