'Mission Klassenerhalt' - Unterwegs mit einem Chemiefan
Es gibt ein Stadion im Leipziger Nordwesten, da scheint die Zeit stehengeblieben, Vergangenheit gegenwärtig zu sein. 1964 wurde hier - im Leutzscher Holz - die BSG Chemie Leipzig völlig unerwartet DDR-Meister. Später spielte der Verein meistens in der zweiten Liga, Staffel C, bis er irgendwann ganz verschwand. Ein paar Unermüdliche fingen - zu Beginn des neuen Jahrtausend - in der 12. Liga wieder neu an. Jahr um Jahr ist 'Chemie' seitdem aufgestiegen, spielt nun in der Regionalliga Nordost. Muss sich dort mit dem 1. FC Lok Leipzig, Energie Cottbus und dem BFC Dynamo messen. Partien mit einiger Brisanz. In 'Mission Klassenerhalt' begleiten wir die Mannschaft durch die Saison.
von Fritz Rainer Polter
5. Saisonspiel: Chemie Leipzig - Union Fürstenwalde 1:2, Platz 16 mit drei Punkten
4. Saisonspiel: Budissa Bautzen - Chemie Leipzig 1:0, Platz 16 mit drei Punkten
3. Saisonspiel: Chemie Leipzig - Babelsberg 1:0, Platz 15 mit drei Punkten
Heute also Babelsberg. Kein Sven, kein Jens, kein Andreas, kein Fred, aber wenigstens Martin. Auch Jörg und Kathleen. Aber die entschieden sich für den Dammsitz, ich bezog Stellung auf dem Norddamm. Mit Martin. Schnell wird klar: Unsere Mannschaft hat sich gut gefangen. Sie hält nicht nur dagegen, sie setzt selbst offensive Aktionen, die alle lautstark von mir betutet werden. Ich frage mich, ob die Mannschaft das hört, dass da noch so ein Alter aus den Siebzigern auf dem Norddamm steht, und die Signale von damals liefert.
Ob die Nostalgie der Mannschaft, aber auch den jungen Fans, etwas gibt, was dann aller Energie verstärkt? Als ich den ersten Stoß ins Horn gegen die Unaussprechlichen blies, hörte ich so eine Art Jauchzen von den Diablos unten. Ich kann ja mal Martin fragen, ob dessen Freund (auch ein Martin) etwas darüber berichten kann. Am Bierstand werde ich natürlich mehrmals angefragt, ob die Tute schon 1964 im Stadion gewesen sei. Von 1967 weiß ich, zusammen mit meinem zehn Jahre älteren Bruder Günther. Ich selbst hatte sie noch nie vor dem Spiel gegen die Friedhofsgärtner mit, da ich in den Siebzigern und Achtzigern meine eigene, kleinere, goldene Tute hatte, welche heute verschwunden ist, favorisierte. Wie auch meine Fahne verschwunden ist, und zahlreiche andere, chemische Dinge. Mein Bruder schenkte mir später seine, das muss so Anfang der Neunziger gewesen sein. Aber da ließ ich sie zu Hause. Nur die Euphorie des Aufstiegs 2016 ließ mich überhaupt in Erwägung ziehen, mich derart auffällig aufführen zu wollen. Keine leichte Sache für so einen stillen, introvertierten Typen wie mich. Aber für Chemie Leipzig gebe ich alles. Foto: Martin Koll
Alles für Chemie - dabei fällt mir ein, dass verschiedene Fangesänge bei uns nicht mehr zur Anwendung kommen. Wie wäre es mal wieder mit: „Chemie Leipzig (5x klatschen) – Alles für Chemie! (5 mal klatschen)“?
Chemie spielt gut, aber werden wir uns auch belohnen? Genauso gut könnte auch ein Angriff der Babelsberger gelingen. Doch unser Torwart ist auf dem Posten. Es tut mir Leid für Marcus Dölz, aber Julien Latendresse-Levesque, der von den buchstabierenden Gleisarbeitern kam, ist um zwei Klassen besser. Das ist sensationell, wie der hält. Schon an der Art, wie der sich bewegt, kann man erkennen, wie gut der ist. Ich würde sogar so weit gehen, dass er nunmehr mit Abstand unser bester Mann ist. Nicht nur heute, sondern überhaupt. Schon komisch: unser bester kommt vom Erzfeind. Auch heute pflückt der alles weg, was die Babelsberger so vor unser Tor tragen.
In der 81. Minute dann die Erlösung. Aber sowas von Erlösung! Tor für Chemie! Manuel Wajer gibt den Robben von der Ribery-Seite, wartet sogar noch länger, und zieht ab. Abgefälscht, drin. Gesehen habe ich es nicht vom meiner Position auf dem oberen Norddamm. Das ist das einzig blöde dort. Vergiß die Ecken, vergiss einen Teil der Strafraumszenen, du wirst sie nur erahnen. Egal, die anderen brüllen. Ich blase in die Tute, dass mein Gesicht rot anschwillt (Martin digitalisiert sowohl das Tor, als auch den Moment meiner Anstrengung). Und wieder fallen Tonnen von uns allen ab, wieder sind wir glücklich. Chemie kann es, bringt es, auch in der Regionalliga. Wir schlagen die Potsdamer, das haben die Lokisten drei Tage vorher nicht vermocht. „Seht mal, ihr Lokis, so wird gemacht“ – intoniere ich leise, sozusagen von mir für mich. In der Melodie von: „Ohne Holland … „. Die Hoffnung ist zurück.
Klar, wir müssen wieder lernen, mit Niederlagen umzugehen. Das haben wir in den letzten beiden Jahren schon fast verlernt, was eine Niederlage überhaupt ist. Aber wir werden auch einige Gegner schlagen, da bin ich mir sicher. Und ich denke schon, dass dies für den Klassenerhalt reichen wird. Wir sind wieder in den Medien und haben in Kürze vier Benefizspiele für vier Fluchtlichtmasten vor uns, und los geht es gegen die Amateure von Schalke. Die Namen der putativen, angedachten drei anderen Gegner kenne ich auch, aber ich darf sie noch nicht verraten. Ist doch toll, dass sich Leipzig nicht auf RB reduzieren lässt. Das wir wieder im Gespräch sind. Schau Dir bloß mal die Freude in den ehrlichen Arbeitergesichtern unserer Fans über 65 an! Die Gesichter der Fans, die als junge Leute schon auf dem Damm standen, als ich noch ein Kind war, und nur ab und zu mal was vom Spiel erkennen konnte, wenn ich zwischen den Erwachsenen durchschauen, und einen Blick auf das Spielfeld erhaschen konnte.
El Presidente hat weitere Verstärkungen in der Mannschaft angekündigt, dass macht mir Mut. Und wieder gibt es das erst langsame, sich dann in der Geschwindigkeit steigernde Klatschen, dass wir von den Isländern übernommen haben, jenes Klatschen, welches Fans und Mannschaft gemeinsam zelebrieren. Ohne deren signifikantes „Huh“! Und wieder bin ich in der Euphorie der „Chemie-steigt-auf-Zeit“. Einer unvergesslichen Zeit, die gerade erst zu Ende ging. Klasse Spiel mit gutem Ausgang. Aufs Rad, und ab nach Connewitz. See myself soon in Bautzen auf der Müllerwiese, wo wir 1966 den Pokal holten, gegen Lok Stendal. Da fahre ich hin, komme und gehe, was da wolle, und was nicht. Und das ist auch wieder eine Stadt, die verdächtig ist für ihre rechte Fanszene. Auf geht’s Chemie, kämpfen und siegen!
2. Saisonsspiel: Energie Cottbus - Chemie Leipzig 5:0, Platz 18 mit Null Punkten
Das 0:1 ist schmerzlich, aber damit waren wir gut bedient. Und wie es ausgehen kann, wenn da ein Gegner noch eine Spur besser ist, haben wir gegen Cottbus im MDR Livestream gesehen. Eigentlich wollte ich unbedingt hin, aber ich habe kein Auto mehr. Zug ist Mist, es wäre auch keiner mehr nach Leipzig zurück gefahren an selbigen, Debakel-behafteten Tag. Die kleine Chance, bei einem Freund eines Bekannten mitfahren zu können, hatte sich zerschlagen, weil jener seine Tochter mitnehmen wollte, dann aber das Gerücht hörte, das einige hundert polnische Hools den chemischen Fans auflauern wollten. Ich wünschte, ich wäre in so einer Clique Auswärtsfahrer drin, aber das bin ich halt nicht. Na, egal.
1. Saisonspiel: Chemie Leipzig - 1. FC Lok Leipzig 0:1, Platz 15 mit Null Punkten
Die Niederlage gegen die Unaussprechlichen habe ich verdaut. Da muss man schon ehrlich zugeben, dass jene uns ein bis zwei Jahre voraus sind. Wirtschaftlich. Trotz relevanter Abgänge haben sie das Vakante nicht nur substituiert, sondern sich auch weiter verstärkt. Unglaublich verstärkt. Mein Freund Michael hat es mir schon angekündigt, dass es so sein wird. Der ist deren Sponsoren einer, und ein Lokist. Und mein Freund. Geht das? Ja, das geht. Ich habe so einige Freunde bei denen, und viele sind eher links drauf, als rechts. Aber eben Lokisten, schon seit den frühen Siebzigern. So wie ich Chemiker bin, seit den späten Sechzigern. So ist das eben in Leipzig. Ich habe mir deren Spiel gegen die Queens Park Rangers im Stadion am Südfriedhof bei den Gärtnern angeschaut, da wurde dann schon schnell klar, dass wir da noch nicht gegenhalten können werden. Und so kam es auch. Unglaublich, wie die über 90 Minuten einem jeden, verlorenen Ball nachgesetzt sind. Die haben uns unsere ureigene, chemische Stärke abgekauft: den Kampf.
Die eingerostete Tute aus den 60er Jahren
Los gings mit der Anreise von Fred aus Solingen und einem für Chemiker nicht untypischem Treffen im Connewitzer "Waldfrieden". Wir stimmten uns ein mit den Erinnerungen an die Schneeballschlacht im Spiel gegen Sangershausen 1980. Oder war es 81? Oberer- gegen unterer Norddamm. Eine knallharte und eiskalte Sache. Fred, und einige Stunden später auch mein Kumpel Sven, gaben mir die richtige Power und Inspiration, das alte Reichsbahn-Signal-Doppelhorn, mit welchem schon mein zehn Jahre ältere Bruder die Gegner 1966 im Georg-Schwarz-Sportpark nervte, wieder flott zu machen. Leider war die obere Tuten-Doppelreihe, verursacht durch den nagenden Zahn der Zeit in Tateinheit mit der Idiotie eines, sagen wir: zwar alternden, aber gehörig unreif gebliebenen Chemie-Fans, sich dafür zu entscheiden, Wasser zur Reinigung hinein zu kippen, aus Protest stumm geworden.
Schließlich entsannen Sven und ich uns an Budapest 1985, wo in unserer Gast-Kirchgemeinde im Vorort Buda-Örs ein Tretharmonium, mit einem Staubsauger mit Luft versorgt, als Orgel verwendet wurde, und ich in der Nacht auf selbigem "Like A Hurricane" von Neil Young intonierte. Dies veranlasste den über 80jährigen, deutsch-ungarischen Küster Sandor Wunderlich zu der Bemerkung, er habe gedacht, der Teifi sei in das Gestühl der Kirche gefahren.
Also saugte ich, beschwingt von dieser Erinnerung, die Tute mit dem richtigen, in die Tröten-Löcher eingeführten Staubsauger Adapter des dirt devil bei maximaler Leistung wieder frei. Diesmal dachte wohl die Tute, der Teifi sei eini g’fahr’n in sie. Und, Wahnsinn! - siehe, es offenbarte sich ein Klangbild, welches an den Fußball der sechziger Jahre erinnerte. Entfleuchte jener Klang der Tute anfangs nur zögerlich, vermindert und spuckend, entfaltete er seine volle Pracht auf dem Norddamm zum Spiel gegen den 1. FC Lok. Geholfen hat es freilich nichts. Andererseits: Wer kennt schon das Gegentore-Szenario, wie es sich dargestellt hätte, wenn ich nicht so fleißig eini g'blas'n hätt' in die Tuten, die antiquierte ….
von Fritz Rainer Polter
5. Saisonspiel: Chemie Leipzig - Union Fürstenwalde 1:2, Platz 16 mit drei Punkten
4. Saisonspiel: Budissa Bautzen - Chemie Leipzig 1:0, Platz 16 mit drei Punkten
3. Saisonspiel: Chemie Leipzig - Babelsberg 1:0, Platz 15 mit drei Punkten
Heute also Babelsberg. Kein Sven, kein Jens, kein Andreas, kein Fred, aber wenigstens Martin. Auch Jörg und Kathleen. Aber die entschieden sich für den Dammsitz, ich bezog Stellung auf dem Norddamm. Mit Martin. Schnell wird klar: Unsere Mannschaft hat sich gut gefangen. Sie hält nicht nur dagegen, sie setzt selbst offensive Aktionen, die alle lautstark von mir betutet werden. Ich frage mich, ob die Mannschaft das hört, dass da noch so ein Alter aus den Siebzigern auf dem Norddamm steht, und die Signale von damals liefert.
Ob die Nostalgie der Mannschaft, aber auch den jungen Fans, etwas gibt, was dann aller Energie verstärkt? Als ich den ersten Stoß ins Horn gegen die Unaussprechlichen blies, hörte ich so eine Art Jauchzen von den Diablos unten. Ich kann ja mal Martin fragen, ob dessen Freund (auch ein Martin) etwas darüber berichten kann. Am Bierstand werde ich natürlich mehrmals angefragt, ob die Tute schon 1964 im Stadion gewesen sei. Von 1967 weiß ich, zusammen mit meinem zehn Jahre älteren Bruder Günther. Ich selbst hatte sie noch nie vor dem Spiel gegen die Friedhofsgärtner mit, da ich in den Siebzigern und Achtzigern meine eigene, kleinere, goldene Tute hatte, welche heute verschwunden ist, favorisierte. Wie auch meine Fahne verschwunden ist, und zahlreiche andere, chemische Dinge. Mein Bruder schenkte mir später seine, das muss so Anfang der Neunziger gewesen sein. Aber da ließ ich sie zu Hause. Nur die Euphorie des Aufstiegs 2016 ließ mich überhaupt in Erwägung ziehen, mich derart auffällig aufführen zu wollen. Keine leichte Sache für so einen stillen, introvertierten Typen wie mich. Aber für Chemie Leipzig gebe ich alles. Foto: Martin Koll
Alles für Chemie - dabei fällt mir ein, dass verschiedene Fangesänge bei uns nicht mehr zur Anwendung kommen. Wie wäre es mal wieder mit: „Chemie Leipzig (5x klatschen) – Alles für Chemie! (5 mal klatschen)“?
Chemie spielt gut, aber werden wir uns auch belohnen? Genauso gut könnte auch ein Angriff der Babelsberger gelingen. Doch unser Torwart ist auf dem Posten. Es tut mir Leid für Marcus Dölz, aber Julien Latendresse-Levesque, der von den buchstabierenden Gleisarbeitern kam, ist um zwei Klassen besser. Das ist sensationell, wie der hält. Schon an der Art, wie der sich bewegt, kann man erkennen, wie gut der ist. Ich würde sogar so weit gehen, dass er nunmehr mit Abstand unser bester Mann ist. Nicht nur heute, sondern überhaupt. Schon komisch: unser bester kommt vom Erzfeind. Auch heute pflückt der alles weg, was die Babelsberger so vor unser Tor tragen.
In der 81. Minute dann die Erlösung. Aber sowas von Erlösung! Tor für Chemie! Manuel Wajer gibt den Robben von der Ribery-Seite, wartet sogar noch länger, und zieht ab. Abgefälscht, drin. Gesehen habe ich es nicht vom meiner Position auf dem oberen Norddamm. Das ist das einzig blöde dort. Vergiß die Ecken, vergiss einen Teil der Strafraumszenen, du wirst sie nur erahnen. Egal, die anderen brüllen. Ich blase in die Tute, dass mein Gesicht rot anschwillt (Martin digitalisiert sowohl das Tor, als auch den Moment meiner Anstrengung). Und wieder fallen Tonnen von uns allen ab, wieder sind wir glücklich. Chemie kann es, bringt es, auch in der Regionalliga. Wir schlagen die Potsdamer, das haben die Lokisten drei Tage vorher nicht vermocht. „Seht mal, ihr Lokis, so wird gemacht“ – intoniere ich leise, sozusagen von mir für mich. In der Melodie von: „Ohne Holland … „. Die Hoffnung ist zurück.
Klar, wir müssen wieder lernen, mit Niederlagen umzugehen. Das haben wir in den letzten beiden Jahren schon fast verlernt, was eine Niederlage überhaupt ist. Aber wir werden auch einige Gegner schlagen, da bin ich mir sicher. Und ich denke schon, dass dies für den Klassenerhalt reichen wird. Wir sind wieder in den Medien und haben in Kürze vier Benefizspiele für vier Fluchtlichtmasten vor uns, und los geht es gegen die Amateure von Schalke. Die Namen der putativen, angedachten drei anderen Gegner kenne ich auch, aber ich darf sie noch nicht verraten. Ist doch toll, dass sich Leipzig nicht auf RB reduzieren lässt. Das wir wieder im Gespräch sind. Schau Dir bloß mal die Freude in den ehrlichen Arbeitergesichtern unserer Fans über 65 an! Die Gesichter der Fans, die als junge Leute schon auf dem Damm standen, als ich noch ein Kind war, und nur ab und zu mal was vom Spiel erkennen konnte, wenn ich zwischen den Erwachsenen durchschauen, und einen Blick auf das Spielfeld erhaschen konnte.
El Presidente hat weitere Verstärkungen in der Mannschaft angekündigt, dass macht mir Mut. Und wieder gibt es das erst langsame, sich dann in der Geschwindigkeit steigernde Klatschen, dass wir von den Isländern übernommen haben, jenes Klatschen, welches Fans und Mannschaft gemeinsam zelebrieren. Ohne deren signifikantes „Huh“! Und wieder bin ich in der Euphorie der „Chemie-steigt-auf-Zeit“. Einer unvergesslichen Zeit, die gerade erst zu Ende ging. Klasse Spiel mit gutem Ausgang. Aufs Rad, und ab nach Connewitz. See myself soon in Bautzen auf der Müllerwiese, wo wir 1966 den Pokal holten, gegen Lok Stendal. Da fahre ich hin, komme und gehe, was da wolle, und was nicht. Und das ist auch wieder eine Stadt, die verdächtig ist für ihre rechte Fanszene. Auf geht’s Chemie, kämpfen und siegen!
2. Saisonsspiel: Energie Cottbus - Chemie Leipzig 5:0, Platz 18 mit Null Punkten
Das 0:1 ist schmerzlich, aber damit waren wir gut bedient. Und wie es ausgehen kann, wenn da ein Gegner noch eine Spur besser ist, haben wir gegen Cottbus im MDR Livestream gesehen. Eigentlich wollte ich unbedingt hin, aber ich habe kein Auto mehr. Zug ist Mist, es wäre auch keiner mehr nach Leipzig zurück gefahren an selbigen, Debakel-behafteten Tag. Die kleine Chance, bei einem Freund eines Bekannten mitfahren zu können, hatte sich zerschlagen, weil jener seine Tochter mitnehmen wollte, dann aber das Gerücht hörte, das einige hundert polnische Hools den chemischen Fans auflauern wollten. Ich wünschte, ich wäre in so einer Clique Auswärtsfahrer drin, aber das bin ich halt nicht. Na, egal.
1. Saisonspiel: Chemie Leipzig - 1. FC Lok Leipzig 0:1, Platz 15 mit Null Punkten
Die Niederlage gegen die Unaussprechlichen habe ich verdaut. Da muss man schon ehrlich zugeben, dass jene uns ein bis zwei Jahre voraus sind. Wirtschaftlich. Trotz relevanter Abgänge haben sie das Vakante nicht nur substituiert, sondern sich auch weiter verstärkt. Unglaublich verstärkt. Mein Freund Michael hat es mir schon angekündigt, dass es so sein wird. Der ist deren Sponsoren einer, und ein Lokist. Und mein Freund. Geht das? Ja, das geht. Ich habe so einige Freunde bei denen, und viele sind eher links drauf, als rechts. Aber eben Lokisten, schon seit den frühen Siebzigern. So wie ich Chemiker bin, seit den späten Sechzigern. So ist das eben in Leipzig. Ich habe mir deren Spiel gegen die Queens Park Rangers im Stadion am Südfriedhof bei den Gärtnern angeschaut, da wurde dann schon schnell klar, dass wir da noch nicht gegenhalten können werden. Und so kam es auch. Unglaublich, wie die über 90 Minuten einem jeden, verlorenen Ball nachgesetzt sind. Die haben uns unsere ureigene, chemische Stärke abgekauft: den Kampf.
Die eingerostete Tute aus den 60er Jahren
Los gings mit der Anreise von Fred aus Solingen und einem für Chemiker nicht untypischem Treffen im Connewitzer "Waldfrieden". Wir stimmten uns ein mit den Erinnerungen an die Schneeballschlacht im Spiel gegen Sangershausen 1980. Oder war es 81? Oberer- gegen unterer Norddamm. Eine knallharte und eiskalte Sache. Fred, und einige Stunden später auch mein Kumpel Sven, gaben mir die richtige Power und Inspiration, das alte Reichsbahn-Signal-Doppelhorn, mit welchem schon mein zehn Jahre ältere Bruder die Gegner 1966 im Georg-Schwarz-Sportpark nervte, wieder flott zu machen. Leider war die obere Tuten-Doppelreihe, verursacht durch den nagenden Zahn der Zeit in Tateinheit mit der Idiotie eines, sagen wir: zwar alternden, aber gehörig unreif gebliebenen Chemie-Fans, sich dafür zu entscheiden, Wasser zur Reinigung hinein zu kippen, aus Protest stumm geworden.
Schließlich entsannen Sven und ich uns an Budapest 1985, wo in unserer Gast-Kirchgemeinde im Vorort Buda-Örs ein Tretharmonium, mit einem Staubsauger mit Luft versorgt, als Orgel verwendet wurde, und ich in der Nacht auf selbigem "Like A Hurricane" von Neil Young intonierte. Dies veranlasste den über 80jährigen, deutsch-ungarischen Küster Sandor Wunderlich zu der Bemerkung, er habe gedacht, der Teifi sei in das Gestühl der Kirche gefahren.
Also saugte ich, beschwingt von dieser Erinnerung, die Tute mit dem richtigen, in die Tröten-Löcher eingeführten Staubsauger Adapter des dirt devil bei maximaler Leistung wieder frei. Diesmal dachte wohl die Tute, der Teifi sei eini g’fahr’n in sie. Und, Wahnsinn! - siehe, es offenbarte sich ein Klangbild, welches an den Fußball der sechziger Jahre erinnerte. Entfleuchte jener Klang der Tute anfangs nur zögerlich, vermindert und spuckend, entfaltete er seine volle Pracht auf dem Norddamm zum Spiel gegen den 1. FC Lok. Geholfen hat es freilich nichts. Andererseits: Wer kennt schon das Gegentore-Szenario, wie es sich dargestellt hätte, wenn ich nicht so fleißig eini g'blas'n hätt' in die Tuten, die antiquierte ….
Tags: Chemie Leipzig, DDR-Meister 1964, Georg-Schwarz-Sportpark, Alfred-Kunze-Stadion, 1. FC Lokomotive Leipzig, Ortsderby, Energie Cottbus, SV Babelsberg 03, Leutzscher Holz, Regionalliga, Dietmar Demuth, Fanblog